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Max E. Ammann
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Standpunkt

Richter und Technische Delegierte

27.10.2020 10:14
von  Max E. Ammann //

Unter den Dokumenten seiner Tätigkeiten beim SVPS und bei der FEI, die ich letztes Jahr von Hans Britschgi erhielt, war auch ein Forderungskatalog des Schweizerischen Zentralverbandes für Pferdesport, mit Änderungsvorschlägen im FEI-Generalreglement. Da­runter betreffend den Weltcup: «Der SZP versteht nicht, warum die Offiziellen im Weltcup durch das Weltcupkomitee ernannt werden. Ist diese Ausnahme notwendig?» Dieses Dokument ist der Anlass, sich einmal mit den ausländischen Richtern bei CSI-W und den Technischen Delegierten bei Championaten und Weltcupfinals zu befassen. Beizufügen ist, dass die damalige Forderung des SVPS aus den 80er-Jahren keinen Erfolg hatte.

«Erbturniere»

Als Ende der 70er-Jahre das Weltcupreglement entworfen wurde, war unbestritten: Der ausländische Richter bei den vom CSI zum CSI-W gewordenen Turnieren durfte nicht mehr wie bis anhin von den Veranstaltern eingeladen werden, sondern musste im Rahmen eines Richtereinsatzsystems vom Weltcup selbst bestimmt werden. Viele der schon damals zahlreichen CSI waren in Bezug auf den ausländischen Richter zu eigentlichen «Erbturnieren» geworden. Oft jahrelang wurde der gleiche Richter eingeladen. Dessen richterlichen Qualitäten standen nicht zur Diskussion, aber der Wille des Richters, beim freundschaftlich verbundenen CSI seine zweite Aufgabe zu erfüllen: die Kontrolle des Turniers mit seinen Installationen, Administration, Abläufe etc. Ich erinnere mich an einen österreichischen Richter, der damals stolz erzählte, er sei nun zum 18. Mal hintereinander Richter bei dem deutschen CSI.

Rotationsprinzip

Das Weltcupkomitee wollte einen Stamm von vielleicht 20 Richtern bilden, aus denen alljährlich die Weltcupturniere beschickt werden sollten. Dabei galt das Rotationsprinzip. Ein Richter wurde nur dann im folgenden Jahr zum gleichen Turnier delegiert, wenn dort organisatorische Mängel aufgetaucht waren, dessen Behebung der zurückkehrende Richter überprüfen sollte. Dieses Rotationsprinzip hat sich jahrelang bewährt. Bei der Zuteilung der Richter an die einzelnen Turniere wurde darauf geachtet, dass der vom Weltcupkomitee ausgewählte ausländische Richter zum Richterpräsidenten (vom Veranstalter bestimmt) «passte». Das hiess: War der Richterpräsident eine erfahrene, starke Person, konnte der ausländische Richter ein junger Nachwuchsrichter sein – war der Richterpräsident eher schwach und unsicher, entsandte das Weltcupkomitee einen starken ausländischen Richter. Das funktionierte jahrzehntelang – mit einer Ausnahme. Im ers­ten oder zweiten Weltcupjahr setzte der FEI-Generalsekretär, damals Präsident des Weltcupkomitees, durch, dass Ernst Gössing nach Bordeaux als ausländischer Richter entsandt wurde. Dort traf der willensstarke und erfahrene deutsche Richter auf den Vater des Saumur-Reiters Christian Carde, auch er ein von sich überzeugter, kenntnisreicher Mann. So erlebte man drei Tage lang, wie sich auf der Richtertribüne zwei Alphamänner fast permanent anbellten.

Technischer Delegierter

Der Technische Delegierte ist die höchste FEI-Autorität bei den Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften sowie Weltcupfinals. Die Aufgaben der TD sind vielfältig: Sie sind die Supervisor über den Ablauf des Turniers, sie kontrollieren die Installationen – von den Ställen bis zu den Toiletten für die Grooms – sie überwachen den Ablauf und sind der de facto Vorgesetze des Parcoursbauers. Deshalb werden viele der TD aus den Reihen der Parcoursbauer ausgewählt. So auch 1989 für den Weltcupfinal in Tampa, wo Bert de Némethy die Parcours baute. Der TD, Parcoursbauerkollege De Némethys, war von dessen Nimbus derart beeindruckt, dass er kaum von seiner Seite wich und dabei übersah, dass die Organisation dieses Finals derartige organisatorische Mängel aufwies, dass ein aktives Eingreifen des TD unerlässlich gewesen wäre, aber unterblieb.

Noel Vanososte

Das Jahr darauf, 1990 bei den ers­ten Weltreiterspielen in Stockholm, war Noel Vanososte aus Venezuela der TD Springen. Er war aktiver Springreiter gewesen und nun im Vorstand der FEI. Beruflich war er Architekt, als Parcoursbauer hatte er wenig Erfahrung. Dies waren für die Verhältnisse in Stockholm ideale Voraussetzungen für seine Tätigkeit als TD. Mit Olaf Petersen amtierte einer der besten Parcoursbauer und so konnte sich Vanososte auf die Infrastruktur konzentrieren. Seine Architekturkenntnisse waren bei den temporären Installationen im und ums Olympiastadion und im Djurgården eine unschätzbare Hilfe. Zwei Jahre später war der nunmehrige FEI-Vizepräsident Vano­sos­te erneut TD, diesmal bei den Olympischen Spielen in Barcelona. Hier waren die Voraussetzungen genau umgekehrt. Alle Anlagen waren permanent – die Architekturkenntnisse Vanosostes wurden nicht gebraucht. Umso mehr Parcoursbauerfahrung, und die hatte er nicht. Denn der Parcoursbauer, ein naher Verwandter des Präsidenten der FEI-Springkommission, hatte weder internationale Erfahrung noch sichtbare Talente. Verbunden mit einem seit Seoul 1988 zwar verbesserten, aber immer noch schwachen Reglement der Qualifikationsprüfungen wurden so die Springwettbewerbe zur teilweisen Farce. Unverständlicherweise verzichteten der TD und der Parcoursbauer auf eine formelle Pressekonferenz, um die Situation zu erklären. Stattdessen kamen sie in naiver Ignoranz ins Pressezentrum, wo sie, stehend, umringt von 50 aufgebrachten Journalisten, kaum zu Wort kamen und der Lächerlichkeit preisgegeben wurden.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 43/2020)

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