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Max E. Ammann
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Standpunkt

«Standpunkte in Kurzform»

10.03.2015 12:47
von  Max E. Ammann //

In den vergangenen Wochen las ich in Zeitungen und Zeitschriften – so auch in der «PferdeWoche» – Meldungen oder Aussagen, die mich zu diesen Standpunkten in Kurzform veranlassen.

Fehlende Professionalität

In der «PferdeWoche» vom 4. Februar las ich unter dem Titel «Das Bes­te herauspicken» ein Doppel-Interview mit den beiden talentierten Jung-Amazonen Emilie Stampfli und Chantal Müller. Dabei faszinierte mich die Antwort von Chantal auf die Frage, warum sie nicht die vollen sechs Monate beim belgischen Spring­reiter Gilbert de Roock geblieben sei, sondern nach drei Monaten zu Ludger Beerbaum gewechselt habe. Chantals Antwort ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert: einmal die Ehrlichkeit, und dass sie offensichtlich den Finger auf das legt, woran viele Springreiter-Unternehmen leiden: fehlende Professionalität. Chantal sagt: «Er hatte keine Zeit für mich – und hat sich auch keine Zeit nehmen wollen. Ich war eher eine Angestellte, die Pferde reitet. An Turnieren war ich teilweise mit vier Pferden ohne Pfleger.» Glücklicherweise gibt es auch entgegengesetzte Beispiele, wo ein gut eingespieltes Management langfristig mit zum Erfolg eines Springreiters beiträgt. Da war das Unternehmen Broome, wo Vater, Bruder und Schwester beispielhaft die ad­minis­trativen, technischen und finanziellen Voraussetzungen für die fast 50-jährige Erfolgskarriere von David ­Broome bildeten. Oder Ian Millar mit seiner Frau und später auch den Kindern.

Korruption

In einer «Tagesanzeiger»-Ausgabe vom Februar schrieb der eins­tige FIFA-Funktionär Guido Tognoni über Betrug im Sport. Er ist der Meinung, dass das eine Prozent Manipulation, das eine Untersuchung ergeben hat, um einiges zu tief ist. Tognoni schreibt über den Fuss­ball, mit den fast im Jahres-Rhythmus aufgedeckten manipulierten Spielen – auf die dann gewettet wird. Er schreibt aber auch von «den Kampfsportarten, in denen betrogen wird, dass die Balken krachen», und vom Turnen und Eiskunstlaufen, wo die Punkterichter «ihre bisweilen seltsamen Urteile bilden».
Dann schreibt er: «Neben dem Wettkampfplatz gibt es eine Grauzone, wo genau so gemogelt wird, um nicht das Wort Betrug zu verwenden.» ­Tognoni meint damit das Bieten um Sportrechte und das Stechen um sportliche Hochämter. Hier «herrsche schlicht Korruption». Die Frage, die man sich in der Pferdesportfamilie stellen muss, ist: Gilt das auch für unseren Sport?

Zivil- oder Sportgericht

Am 16. Januar meldeten die Schweizer Tageszeitungen, dass die einst wegen Doping gesperrte Eisschnellläuferin Claudia Pechstein vor dem Zivilgericht Recht bekommen habe. Pechstein, fünffache Olympiasiegerin, war 2009 vom internationalen Eisschnelllauf-Verband wegen Indizien auf Blutdoping für zwei Jahre gesperrt worden. Das internationale Sport­gericht CAS in Lausanne stützte das Urteil, obwohl Pechstein belegen konnte, dass sie an einer erblichen Blutanomalie leidet, was zu schwankenden Blutwerten führt.
Das Oberlandesgericht in München stellt de facto fest, dass ein Sportler in Streitfällen zwischen Sport- und Zivilgericht wählen darf. Damit urteilte das Oberlandesgericht gegen die Praxis vieler Verbände, die Athleten dazu verpflichten, sich exklusiv der Sportgerichtsbarkeit zu stellen, unter Verzicht auf einen Gang zum Zivilgericht. Verweigert der Sportler die Unterschrift, wird er von allen Wettkämpfen ausgeschlossen.
Das Problem ist, dass die Sport-Richter, sei es beim Internationalen Verband oder beim CAS, fast ausschliesslich von den Sportverbänden nominiert werden, sie sind also in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einer Partei im Rechtsstreit zwischen Verband und Athlet.
Das Münchner Urteil, noch nicht rechtskräftig, gilt nur für Deutschland. Wird es bestätigt, mag es gewaltige Auswirkungen auf die Rechtsprechung im internationalen Sport haben. Dabei kann man sich fragen, ob die Sportgerichtbarkeitsregeln, die alle Macht den Verbänden geben, noch zeitgemäss sind. Als man vor rund 100 Jahre dem Sport die fast totale Selbstregulierung zugestand, waren die heutigen Probleme, Riesengeldpreise, Doping oder Medikationsmissbrauch, Ämterkäufe sowie Transfer- oder Nationalitätswechsel, kaum präsent.

Nicht ohne Reglemente

In der «PferdeWoche» vom 11. Februar schrieb Werner Schönenberger über die Entwicklungen im Gespannfahren. Nach einer eher allgemeinen Bestandsaufnahme endete der Beitrag als Werbung für ein «Wohlfühl-Wochenende für Gespanns-Liebhaber». Dass die dortigen Kutscherwettbewerbe von einer Jury kritisch begutachtet werden, weist darauf hin, dass man um eines der Grund­übel des Sportes, das subjektive Bewerten, nicht herumkommt. Wenn im Vorspann zum Beitrag geschrieben wird «in der Schweiz ist der Pferde­sport ein Monopol der Verbände und dadurch eng strukturiert und stark reglementiert», so ist das eine Binsenwahrheit, die für praktisch alle Belange und Bereiche nicht nur des Sports gilt. Werden die im Bericht erwähnten Wohlfühl-Wochenenden zum langfris­tigen Gross­erfolg, so wird sich auch hier Strukturierung und Reglementierung aufdrängen.

Neue Generalsekretärin

Bleibt noch die Wahl von Sabrina Zeender als FEI-Generalsekretärin. Sab­rina ist eine tüchtige Frau, die in ihren über 20 Jahren bei der FEI einiges mitbekommen hat, nicht zuletzt das Wirken von nicht weniger als sechs Vorgängern. Ihr erster Vorgesetzter war Etienne Allard, FEI-Generalsekretär von 1989 bis 1995, über dessen Wirken man nur den Mantel des peinlichen Schweigens ausbreiten kann.
Dann kam der tüchtige Schwede Bo Helander, der nach fast zehn Jahren an seiner Selbstherrlichkeit scheiterte. Dann kam die Lachnummer Jean-Claude Falciola. Dieser war seit 27 Jahren Sachbearbeiter bei einem Genfer Headhunter, der von der FEI beauftragt wurde, einen Nachfolger für Helander zu finden. Falciola, ohne Pferde­sportkenntnisse und auch ohne Führungserfahrung, schlug sich selbst vor und, unerklärlicherweise, wurde er von den FEI-Oberen gewählt! Dann kam Michael Stone – heute in Florida aktiv, dann der amerikanische Jurist Alex McLin und schliesslich, 2011, der Belgier Ingmar de Vos, der wieder etwas Beruhigung in die FEI-Welt brachte, bis er nun zum FEI-Präsidenten gewählt wurde.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 9/15)

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