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Max E. Ammann
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Standpunkt

Über Pferdenamen

29.11.2016 12:35
von  Max E. Ammann //

Es war 1978, beim letzten CSIO Nizza – nicht mehr im schönen «Parc des Colline du Château», sondern im funktionellen «Palais des Expositions». Auf der Ehrentribüne sassen die Fürstin Grace Kelly und ihre Tochter.

Ich sass auf der Teilnehmertribüne neben Harvey Smith und David Broo­me. Die beiden, damals Grosse des internationalen Springsports, hatten gerade unabhängig voneinander Sponsorverträ­ge für ihre Spitzenpferde abgeschlossen. David Broome mit einer deutschen Herrenkosmetik­firma, der Herstellerin von «Tabac Original», Harvey Smith mit dem japanischen Elektronik- und Elektrotechnikgiganten «San­yo» (heute Tochter von «Panasonic»).

Imageschädigend?

Im Gespräch meinte ich, es sei schade, dass Harveys Sanmar nun Sanyo Music Centre heisse und Davids Spitzenpferd nun als Tabac Original starte. Vielleicht, so fügte ich bei, sei diese kommerzielle Namensgebung gar imageschädigend. Harvey Smith antwortete kurz und bündig: «Der Vertrag bringt mir 30000 Pfund pro Jahr und ich kann das Geld gebrauchen.» 30000 waren damals über 100000 Schweizer Franken. Ende der Diskussion. Beigefügt muss werden, dass die FEI mit ihrem Präsidenten, Prinz Philip, wenige Jahre zuvor die nationalen Verbände aufgefordert hatte, Ordnung in der Amateurfrage zu schaffen und offensichtliche Berufsreiter als Profis zu erklären. Nur Grossbritannien und Irland folgten dem Aufruf, und so waren Harvey und David seit 1973 Profireiter. Ihre erwähnten Sponsorenverträge waren das extremste Ergebnis einer Entwicklung, die aus dem Ruder gelaufen war. Es gab keine Richtlinien, in welcher Form kommerzielle Namensänderungen erlaubt waren: So überwogen totale Namensänderungen wie Tabac Original. Die Beschränkung auf Suffix oder Präfix unter Beibehaltung der Originalnamen kam erst in den 80er-Jahren.
Harvey Smith und David Broome waren nicht die Einzigen, die ihren Pfer­den kommerzielle Sponsorennamen gaben. Alison Dawes taufte ihren The Maverick in Mr. Banbury um (eine Baufirma), Eddie Mackens Pele wurde Kerrygold und Thomas Fuchs ritt nun Willora Carpets und nicht mehr Tullis Lass. In England ist man heute überzeugt, dass es diese unkontrollierten kommerziellen Namensänderungen waren, die zum schleichenden Interessenverlust der BBC führten.

«VDL» und «H&M»
Heute sind die kommerziellen Präfixe eher selten. Beim CSI-W in Helsinki waren es unter den rund 100 Pferden nur eine Handvoll. So die niederländische «VDL-Gruppe», ein in Metallbearbeitung und Kunstoffverarbeitung diversifizierter Industriekonzern. Mit dem «VDL»-Präfix ritten die Niederländer Maikel van der Vleuten, Lisa Nooren und Leopold van Asten. Für den schwedischem Kleiderproduzenten «Hennes & Mauritz» ritt Peder Fred­ricson Pferde mit dem Präfix «H&M». Weitere «H&M-Reiter» sind Malin Bar­yard-Johnsson und Olivier Philippaerts.

«Sony-Ericsson»

Eines der prominentes­ten Pferdesponsorships war der schwedisch-japanische Telekommunikationskonzern «Sony-Eric­s­son» (1998 bis 2003, ab 1998 für drei Jahre Ericsson, dann zusammen mit Sony). Initiiert von Franke Sloothaak gehörten Markus Fuchs, Maria Gretzer, Jerry Smit, Marcus Ehning, Olivier Guillon und Rodrigo Pessoa zur Sony-Ericsson-Equipe. Heute sind Pferdenamen mit einem Züchter/Zuchtorganisation fast häufiger als die kommerziellen Sponsorpräfixe. Einer der ­ersten Zuchtnamen war Gauguin de Lully von Chris­tine Stückelberger. Später kam, bereits ärgerlich lang: Karondo vom Schlösslihof, ebenfalls schweizerisch (vor vielen Jahren galt die Regel: nicht mehr als 18 Anschläge pro Pferdenamen). Nur trifft man solche Monsternamen in den Startlisten internationaler Turniere oft: Thomas Velin reitet Chopin van het Moleneind, der Spanier Alvarez Aznos Rokfeller de Pleville Bois Margot. Dream of India Greenfield wird von Pieter Devos geritten und selbst Este Urmas Raag glänzt mit Ibelle van de Grote Haart. Der Italiener Lorenzo de Luca hat Halifax van het Kluizebos unter dem Sattel und Kevin Staut Qurack de Falaise. Natürlich verdienen die Züchter, die ja eher am Rande am Sportgeschehen beteiligt sind, mehr Aufmerksamkeit. Nur sollte dies nicht mit einer ähnlichen Mass­losigkeit gemacht werden, die seinerzeit vor allem in Grossbritannien das Interesse am Pferdesport schwinden liess.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 47/2016)

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