Suche
Max E. Ammann
Previous Next
Standpunkt

War Aachen ein Nationenpreis?

30.08.2016 11:47
von  Max E. Ammann //

Diese Frage: «War oder ist Aachen ein Nationenpreis?» hat kürzlich der deutsche Sportjournalist Dieter Ludwig gestellt (er ist seit einigen Jahren in «Rente», schreibt aber online über Pferdewelten).

Dieter Ludwig bezog sich auf den Entscheid des Aachen-Laurensberger Rennvereins vor einigen Jahren, sich aus der Nationenpreisserie zurückzuziehen. Dies, nachdem die Schweizer Uhrenmanufaktur Longines den Schweizer Konkurrenten Rolex nicht nur als Titelsponsor des Weltcups der Springreiter verdrängt hatte, sondern auch weiter immer mehr Boden als pferdesportlicher Universalunterstützer gewann. Denn in Aachen gehörte und gehört Rolex seit längerem zum geschätzten Sponsoren-Pool. Ist nun Aachen, obwohl es nicht mehr zum elaboraten FEI-System der Nationenpreisserien gehört, immer noch ein Nationenpreis? Oder ist nur ein Mannschaftsspringen, das Bestandteil der Jahresserie ist, ein Nationenpreis? Dieser Dieter-Ludwig- Frage soll hier nachgegangen werden.

Vom Mannschaftsspringen zum Nationenpreis

Ein Vergleich der Situation bei den Nationenpreisen mit dem Weltcup hilft nicht weiter. Denn die Geschichte des Weltcups verlief ganz anders als die der Nationenpreise. Die Geschichte des Nationenpreises begann 1909, als, unabhängig von einander, die Turnierveranstalter von Olympia in London und im spanischen San Sebastian im Rahmen ihrer Turniere ein Mannschaftsspringen ausschrieben. In London bestand eine Equipe aus drei Reitern – in San Sebastian waren es deren fünf. An einem Ort ritten die Reiter einer Equipe hintereinander – beim andern Turnier war es je einer pro Mannschaft, wie dies heute der Fall ist. Bis um 1930, als die FEI endlich ein Reglement schrieb und einen Jahreskalender erstell­te, herrschte unter den nun Nationenpreis (Cou­pe des Nations) genannten Mannschaftsspringen Wildwuchs. Jeder Veranstalter machte, was er wollte und jeder Landesverband erlaubte Nationenpreise, wo sie gewollt wurden. So gab es 1926 in Italien gleich drei Nationenpreise: in Rom, Neapel und Mailand – sinnigerweise mit jeweils Heimsiegen.

«President’s Cup»

In den 30er-Jahren wurden die Nationenpreise zu eigentlichen Machtkämpfen der berittenen Truppen, repräsentiert durch die florierenden Kavallerieschulen Europas und Amerikas. Erst 1964, als Prinz Philip zum Präsidenten der FEI gewählt wurde, bündelte die FEI die Nationenpreise zu einer Jahresserie: dem «President‘s Cup». Eine stolze Trophäe, mit Königin Elizabeth zu Pferd, symbolisierte die neue Jahreswertung, die in den ers­ten 20 Jahren nur vier Siegerländer erlebte: zehnmal Grossbritannien, siebenmal die damalige Bundesrepublik Deutschland, zweimal die USA und einmal Frankreich. Für die Schweiz gab es 1983 Platz zwei sowie 1973 und 1980 je Platz drei. Im Jahre 1985 wurde der «President‘s Cup» für zwei Jahre in «Prince Philip Trophy» umgetauft, bevor dann ab 1987 die Sponsoren übernahmen: zuerst Gucci, dann kurzfristig HCS, dann ab 1997 Samsung.

Weltcup seit 1978

Der Weltcup dagegen wurde 1978 als Serie gegründet. Das heisst ohne Weltcup als Serie keine Weltcupspringen – aber ohne Weltcupspringen keine Weltcupserie. Da­zu kam, dass beim Weltcup die gesamte Autorität bei der FEI lag und liegt (in den ersten Jahrzehnten beim FEI-Weltcupkomitee). Das Weltcupkomitee bestimmte – auf Vorschlag der Landesverbände – die Weltcupturniere. Dies ist anders bei den Nationenpreisen. Hier hat jeder nationale Pferdesportverband das Recht, jährlich einen CSIO zu bestimmen, der dann den Nationenpreis durchführt (in den USA und Kanada sind zwei Nationenpreise pro Land erlaubt). Dieses Privileg der Landesverbände hat seit dem ersten Sponsor­ship von Gucci 1987 immer wieder zu Konflikten, ja Misstönen zwischen der FEI und seinem jeweiligen Seriensponsor, einzelnen Landesverbänden und verschiedenen CSIOs geführt – und brachte nicht zuletzt den Ausstieg von Aachen aus der Serie.
Natürlich kam es auch beim Weltcup zu Konflikten. Als Mitte 1978 der ers­te Kalender der Europaliga erstellt wurde, hatte praktisch jedes Turnier einen mehr oder weniger potenten Auto-Sponsor, war also im Konflikt mit dem FEI-Weltcupsponsor Volvo. Einige Turniere mussten wegen dieser Bindung an eine konkurrierende Automarke auf den Weltcup verzichten – die meisten fanden aber Lösungen, nicht zuletzt angesichts der ungeteilten Autorität des FEI-Weltcups.

Einfluss und Macht

Beim Nationenpreis trafen und treffen drei Interessen aufeinander: die nationalen Verbände (NF), die CSIO-Organisatoren und die FEI. Die NFs wollen als CSIO das beste Freiluftturnier; im Falle Deutschland ist dies Aachen. Die potenziellen CSIO-Organisatoren, die das ganze finanzielle Risiko tragen, wollen das Prestige des Nationenpreises, wehren sich aber gegen einen von der FEI aufoktroyierten Seriensponsor, wenn dieser in Konkurrenz zu einem bereits vorhandenen Sponsor steht oder zu wenig finanzielle Mittel beisteuert. Die FEI will mit ihrem Serien­sponsor ih­ren Einfluss über den Pferdesport bewahren oder verstärken und mit ihrem Anteil am Sponsorenkuchen ihr Einkommen sichern.
Fazit des Obigen: in den Augen der FEI dürfte ein Turnier, dass sich dem Seriensponsor verweigert, keinen Nationenpreis durchführen. Anderseits hat jede NF das Recht, ihren CSIO zu bestimmen und dieser CSIO darf einen Nationenpreis durchführen. Dagegen kann die FEI nichts tun: Quintessenz: Aachen ist ein Nationenpreis ausserhalb der FEI-Serie.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 34/2016)

[...zurück]