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Alfred Leiser (r.) mit dem irischen Top-Jockey Kieren Fallon 2012 in Frauenfeld.
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Seit vielen Jahren fasziniert vom Vollblut

06.08.2013 14:00
von  Willi Bär //

Vor rund 60 Jahren betreute Alfred Leiser mit Meerwind eines der besten Rennpferde, das je auf Schweizer Bahnen zu sehen war. In den vergangenen Jahrzehnten besuchte er viele grosse Rennen der Welt. So reiste der mittlerweile 85-Jährige im Frühling einmal mehr ans Kentucky Derby.

Im Alter von sechs Jahren war Alfred Leiser mit seiner Mutter in Zürich unterwegs. Als sie dem Wagen der Brauerei Hürlimann begegneten, wollte er einen der belgischen Kaltblüter streicheln. Doch der Riese packte den Knirps an der Schulter und hob ihn in die Luft, sodass der Bub danach verarztet werden musste. Der Schreckensmoment verging, die Faszination für Pferde blieb. Als Jugendlicher füllte Fredi ein grosses Heft mit anatomischen Tafeln und vielen Detail-zeichnungen, in denen er alle Einzelheiten und Funktionen des Pferdekörpers minuziös darstellte.

Alfred Leiser und Meerwind nach dessen Sieg im Grossen Preis von Zürich Anfang der 50er-Jahre.

Zum ersten Mal in Kontakt mit Rennpferden kam er nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Rahmen seines Berufes als Reklamemaler hatte er einen Auftrag bei der Metzgerei Ruff. Geschäftsinhaber Rolf Ruff besass einige Rennpferde, die Alfred Leiser angeleitet vom berühmten Pferdemaler Iwan E. Hugentobler abzeichnete. In dieser Zeit begann Leiser auch zu reiten. Als Bub hatte er davon geträumt, Jockey zu werden und Rennen zu gewinnen. Die körperlichen Voraussetzungen wären vorhanden gewesen, doch in der Schweiz gab es keine Möglichkeit eine Jockey-Lehre zu absolvieren und für eine Ausbildung in Deutschland oder Frankreich war der Zweite Weltkrieg nicht die richtige Zeit.

Meerwind – das Pferd seines Lebens

Ein anderer bekannter Zürcher Rennpferdebesitzer dieser Zeit war Hans Baumgartner vom Stall Uetli. Im Winter 1950/51 weilte Baumgartner in der Nähe von Köln im renommierten Gestüt Röttgen. Mit von der Partie war auch Alfred Leiser, dem ein Fuchshengst namens Meerwind ins Auge stach. Baumgartner erwarb den 1945 geborenen Wahnfried-Sohn für 10000 Mark. Meerwind war als Dreijähriger gegen die Bes­ten gelaufen, war einmal nur vom legendären Birkhahn geschlagen worden und hatte auch im St. Leger den zweiten Rang belegt. Später wechselte er auf die Hindernisbahn, wo er zum dreifachen Sieger avancierte.

Leiser malte früher selbst leidenschaftlich gern Vollblüter.

Im Januar 1951 nahm Alfred Leiser frei, um nach Köln zu fahren und Meerwind mit dem Zug nach Zürich zu bringen. Baumgartners Kauf erwies sich als Volltreffer. Der vielseitige Wahnfried-Sohn brillierte in den folgenden Jahren sowohl auf der Flachbahn wie auch über Hindernisse, in der Schweiz wie
im Ausland. 1951, in seiner ers­ten Schweizer Saison, gewann Meerwind im Frühling in Aarau ein Hürdenrennen und im Herbst den Grossen Preis der Schweiz. Nach dem Sieg im wichtigsten Hindernisrennen der Schweiz bewies er im Winter auf dem St. Moritzer See seine Flachklasse. Geritten vom deutschen Top-Jockey Hein Bollow triumphierte er 1952 im Grossen Preis von St. Moritz. Ein Erfolg, den das Duo ein Jahr später wiederholte. 1954 schrieb sich Meerwind auch ein zweites Mal in die Siegerliste des Grossen Preises der Schweiz ein. Fünf Jahre dauerte die gloriose Zeit von Meerwind mit seinem Betreuer Alfred Leiser, dann brach er sich auf dem Aarauer Schachen, dort wo er seinen ersten Schweizer Sieg erzielt hatte, bei einem Sturz das Genick. Alfred Leiser hatte in der Nacht vor dem Rennen geträumt, dass Meerwind nicht mehr in seinen Stall zurückkehren werde. Daraufhin wollte er Besitzertrainer Hans Baumgartner zum Rückzug des Pferdes bewegen, drang aber nicht durch.

Olympiateilnehmer in Rom


Nach dem Tod von Meerwind kehrte Alfred Leiser dem Rennsport für mehr als ein Jahrzehnt den Rücken. Als er einmal zu Hans Baumgartner gesagt hatte: «Wenn ich so viel trainieren würde wie unsere Pferde, wäre ich auch Spitzenklasse», hatte dieser nur milde gelächelt. Doch der Gedanke liess Fredi nicht mehr los und Mitte der 50er-Jahre begann er heimlich zu trainieren. Vorerst versuchte er sich als Läufer, wechselte dann zum Gehen. Der voll berufs­tätige Familienvater trainierte jeweils am frühen Morgen und am Abend je eine Stunde. Wenn er am Wochenende Zeit hatte, absolvierte er die 64 Kilometer rund um den Zürichsee in sechseinhalb Stunden. Nach wenigen Monaten gehörte er bereits zur hiesigen Spitze und wurde in die Nationalmannschaft berufen und 1956 für die Olympischen  Spiele im australischen Melbourne nominiert. Doch nach dem Einmarsch der Russen in Ungarn blieb die schweizerische Delegation zu Hause. «Schade, in Melbourne wäre mein Wetter gewesen, im Regen war ich jeweils kaum zu halten.» 1960 konnte er dann doch noch an die OS in Rom, wo er über 50 Kilometer Gehen Rang 25 belegte. Nachdem er 1962 zum neunten Mal Schweizermeister geworden war, beendete er seine Karriere, war in der Folge nur noch als Trainer und Entdecker von Talenten tätig.

Leiser bei seinem Sieg in der Schweizer Meisterschaft «Gehen» 1962 über 75 Kilometer.

Reisen und Fotografieren

Bei einer USA-Reise im Jahre 1970 ergab es sich, dass Alfred Leiser ein Vollblutgestüt besichtigte. Und da brach der alte Virus wieder aus. In der Folge reiste er Jahr für Jahr in die USA, wo er inzwischen alle grossen Gestüte und Rennen, die meisten mehrfach, besucht hat. An manchen Orten wie der berühmten Calumet-Farm hat er Freunde gewonnen. Auch die renommierten englischen und irischen Gestüte kennt er alle aus eigenem Augenschein. Seit über 40 Jahren verbringt Alfred Leiser den ersten Sonntag im Oktober in Paris am Prix de l’Arc de Triomphe.
Kaum ein berühmter Deckhengst der vergangenen Jahrzehnte, den er nicht persönlich fotografiert hätte. Mit den abgelichteten Pferden hat er Dutzende von Alben angelegt, in denen sich die jüngere Turf-Geschichte widerspiegelt. Von etlichen grossen Stars der Rennbahn wie dem bislang letzten US-Triple-Crown-Sieger Affirmed, Mill Reef oder dem entführten und nie wieder aufgetauchten Shergar hat Alfred Leiser originale Renneisen, die bei ihm zu Hause mit den jeweiligen Stallfarben versehen an der Wand hängen.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 31/2013)

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