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Max E. Ammann
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Standpunkt

Das Pferd in der Kunst

22.03.2022 09:01
von  Max E. Ammann //

Das erstaunlichste Werk in meiner bescheidenen Sammlung von Büchern über «Das Pferd in der Kunst» heisst «Der Soldat in der bildenden Kunst» und wurde 1987 vom Militärverlag der DDR herausgegeben. Erstaunlich ist das Buch nicht der Qualität wegen, im Grossformat mit 336 Seiten und 331 Abbildungen (darunter 100 ganzseitig in Farbe) aufwendig gemacht. Erstaunlich ist, dass in der de facto bereits bankrotten DDR zwei Jahre vor dem Untergang noch ein derartig aufwendiges Buch herausgegeben wurde, und noch erstaunlicher, weil der Band weder im Bild noch im Textteil einen Bezug zur DDR hatte: Es gab keine DDR-Militärpferdebildnisse oder Geschichten!

Von Stubbs bis Hugentobler

Das DDR-Buch über den Soldaten in der Kunst hatte keine Werke der grossen Pferdemaler, sondern Werke von Künstlern, die sich nur gelegentlich mit dem Pferd befassten. Die beiden Schweizer Maler im Buch, der Solothurner Urs Graf (1485 bis 1529) und Ferdinand Hodler (1813 bis 1918), haben sich zwar mit dem Pferd als Malmotiv beschäftigt, waren aber keine Pferdemaler. Als eigentliche Pferdemaler der Vergangenheit gelten heute die Engländer George Stubbs, Alfred Munnings und Cecil Aldin, der Pole Juliusz Kossak, die deutsche Malerfamilie Adam aus München und die Franzosen Théodore Géricault, Alfred de Dreux und Rosa Bonheur. Von den frühen Schweizern kann man Conrad Gessner und Jacques Agasse als Pferdemaler bezeichnen, aus dem letzten Jahrhundert vor allem Iwan E. Hugentobler.

«Pferd und Mensch» und «Fantaisie Equestre»

Zwei grosse «Pferd in der Kunst» Ausstellungen gab es in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in der Schweiz. 1972 in Yverdon unter dem Titel «Pferd und Mensch» und 1982 im Musée des Beaux Arts in Lausanne, aus Anlass der Dressur-Weltmeisterschaften in Chalet-à-Gobet.
In Yverdon wurden Werke von Agasse und Gessner, vom Tiermaler Rudolf Koller (mit seiner «Gotthardpost»), vom Amerika-Schweizer Frank Buchser sowie von den nur gelegentlich mit dem Pferd sich befassenden Cuno Amiet und René Auberjonois gezeigt. Es fehlte Iwan E. Hugentobler, aber auch die als Entwerfer von Pferdeplakaten bedeutenden Max de Rham und Hugo Laubi sowie der Luzerner Hans Erni.
Ähnliches erlebte man 1982 im Kunstmuseum Lausanne mit dem Titel «Fantaisie Equestre». Auch hier verzichte man auf Werke von Iwan E. Hugentobler, dem bedeutendsten Schweizer Pferdemaler des 20. Jahrhunderts und des Romand Max de Rham (der 1900 als Kavallerieoffizier die erste verbürgte Schweizer Springkonkurrenz in Yverdon gewonnen hatte und einige der Umschläge des frühen «L’Année Hippique» gestaltete). An der Vernissage der Ausstellung während der Dressur-WM 1982 wurde die Kuratorin (und Museumsdirektorin) Erika Billeter darauf angesprochen. Billeter hatte die reinen Pferdemaler ausgeschlossen, weil sie den Konflikt dieser Künstler zwischen freier Gestaltung und Auftragsarbeit erkannte. Zeitgenössische Werke seien für sie dann interessant, wenn ein Künstler, neben anderen Motiven, das Pferd als «Subject Matter» gewählt habe. Sie nannte als Beispiel die kürzlich verstorbene Amerikanerin Susan Rothenberg.

Mirjam Verhoeff

Diesen Zweispalt zwischen Auftragsarbeit und freier Gestaltung erlebte ich zu jener Zeit bei der bekannten niederländischen Pferdemalerin Mirjam Verhoeff. Viele der erfolgreichen Spring- und Dressurreiter der Niederlande besassen Werke von Mirjam Verhoeff, die sie von ihren Pferden meistens im Auftrag gemalt oder gezeichnet hatte. Aber was die Künstlerin bei einem Besuch im Atelier zeigen wollte, waren ihre freien Arbeiten.

Butterfield und McLean

Den Konflikt von Künstlern mit Konzentration auf das Pferd erlebte man bei zwei bekannten amerikanischen Künstlern: Deborah Butterfield (1949 geboren) und Richard McLean (1934 bis 2014). Die in Montana lebende Debbie Butterfield wurde und ist bekannt für ihre Pferde aus Holz und Metall. Das Pferd bleibt ihr einziges Thema. Sie ist selbst Reiterin – sie hatte Dressurunterricht beim Olympiareiter Steffen Peters und verfolgte den Dressur-weltcupfinal, als er seinerzeit in Los Angeles durchgeführt wurde. Dank ihrem Können und ihrer Originalität gehört Debbie Butterfield trotz Vorbehalten zu den bedeutendsten Gegenwartskünstlern Amerikas.
Schwerer hatte es Richard McLean. Er war einer der Fotorealis­ten, die im letzten Quartal des 20. Jahrhundert ihre Blütezeit hatten. Sein ausschliessliches Motiv waren die Pferde, vor allem aus dem Rennsport. Damit war er bei den Fotorealisten fast ein Aussenseiter, die Themen der anderen Fotorealisten waren näher am täglichen Leben von heute. Als einmal die Pferdesportmäzenin und Kunstsammlerin Joan Irvine-Smith (1933 bis 2019) bei ihrem damals populären Turnier in Orange County, Kalifornien, Werke von Richard McLean ausstellte und den Künstler zum Turnier einlud, wurden er und seine Werke praktisch ignoriert.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 11/2022)

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