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Max E. Ammann
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Standpunkt

Erinnerungen an den CSI Vigo

22.11.2022 10:25
von  Max E. Ammann //

Neben der Schweiz brauchten auch Spanien und Portugal mehrere Jahre, bevor sie sich für ein aktives Mitmachen im 1978 ins Leben gerufenen Weltcup der Springreiter entscheiden konnten. Im Falle der Schweiz war Genf gleich in der ersten Saison 1978/79 als Veranstalter dabei und auch bei anderen Qualifikationsturnieren nahmen Schweizer Springreiter teil. Aber an den Final wollten sie vorerst nicht. 1981 wagte es Walter Gabathuler, 1989 flogen gleich vier an den Final nach Tampa und 1992 gab es den Schweizer Sensationserfolg mit den Finalplätzen zwei, drei und vier hinter dem Sieger Thomas Frühmann. Als Veranstalter musste der damalige CSIO-Ort Genf nach dem Debüt von 1979 verzichten, weil die FEI kein Turnier mit Nationenpreis und Weltcup wollte. Erst als Genf auf den Nationenpreis verzichtete, der nach 1985 in ungeraden Jahren nach St. Gallen ging, kehrte Genf in den Weltcup zurück.
In Spanien dauerte es noch länger, bis das Land zum Weltcup gehörte. Zwar ritten auch Spaniens Springreiter regelmässig bei den Weltcupqualifikationsturnieren, aber in den Final schafften es bis zur Jahrtausendwende nur gerade vier Reiter. Erst in der Saison 1995/96 wurde in Sevilla das erste Weltcupspringen in Spanien ausgetragen. Drei Jahre später kam in Sevilla bereits das Ende. In der Saison 1999/2000 versuchte man es einmal in Oviedo.

Madrid und Vigo

Dann kamen 2001 gleich zwei spanische Bewerbungen: die Hauptstadt Madrid und ein kaum bekannter Hafenort in Galicien an der Atlantikküste, Vigo. Das Weltcupkomitee entschied sich, nach Prüfung der schwachen Bewerbung von Madrid, und nach einen Besuch beim CSI Vigo in August 2001, für Vigo. So fand im Februar 2002 das erste Weltcupspringen in Vigo statt. Ein Jahr später gab es einen Schweizer Sieg durch Markus Fuchs auf Granie. Bereits dann hatte sich der CSI-W Vigo zu einen Turnier-Juwel entwickelt.
Vigo hat rund 300000 Einwohner, 90 Kilometer entfernt im Norden ist die berühmte Pilgerstadt San­tiago de Compostela. Im Süden liegt Portugals zweitgrösste Stadt, Porto. Vigo hat einen eigenen Flughafen, aber fast ausschliesslich für Inlandsflüge. Wer aus dem Ausland kommt, fliegt nach Porto, von dort sind es 145 Kilometer nach Vigo.
Die wichtigste Industrie Vigos zu jener Zeit war die Fischerei und deren Verarbeitung, vor allem durch die Firma Pescanova. 1960 gegründet war es das grösste ­Fischereiunternehmen Spaniens. Pescanova besass und operierte über hundert Schiffe und hatte 10000 Beschäftigte. Besitzer von Pescanova war der Sohn des Gründers, Manuel Fernández de Sousa-Faro. Er war der Vater eines reitenden Sohnes, der es Ende der 90er-Jahre in die spanische Juniorenequipe der Springreiter schaffte.

Zwei Turniere

Dies war die Motivation für den Vater, in Vigo ein internationales Reitturnier zu veranstalten. Austragungsort war die grosse Halle der Messeanlagen IFEVI (Instituto Feiral de Vigo) in Sotogrande, in der Nähe des Flughafens. Nachdem Manuel Fernández den Weltcupzuschlag erhalten hatte, organisierte er jährlich zwei CSIs: im Februar das Weltcupturnier, im August einen CSI.
Es waren denkwürdige Anlässe, unterstützt durch die Provinzbehörden von Pontevedra, von der Region Galicien mit dem mächtigen Regierungschef Manuel Fraga Iribarne und durch die Stadt Vigo. Als es 2004 zum Wahlkampf um das Bürgermeisteramt kam, war es selbstverständlich, dass die drei Bewerber Dauergäste beim CSI waren und gemeinsam zur Siegerehrung im Grossen Preis eingeladen wurden.
Anfangs der 10er-Jahre dieses Jahrhunderts begannen die Probleme von Pescanova. Als 2012 eine Verschuldung der Firma von weit über einer Milliarde Euro entdeckt wurde, musste Pescanova 2013 Insolvenz anmelden. 2014 kam der Konkurs. 2015 wurde, ohne Manuel Fernández, eine Auffangfirma gegründet, die Nueva Pescanova, die seither ­geschäftet.

Ab ins Gefängnis

2020 wurde Manuel Fernández zu acht Jahren Gefängnis verurteilt, elf Mitangeklagte aus der Firma erhielten ebenfalls Gefängnisstrafen. Die Klagepunkte lauteten auf Betrug, Verschleierung von wirtschaftlichen und finanziellen Informationen sowie Fälschung von wirtschaftlichen Dokumenten. Manuel Fernández hatte, als die Probleme begannen und sich die Verluste häuften, Investoren getäuscht. Damit rettete er einige Jahre den guten Ruf von Pescanova, schuf aber immer grössere finanzielle Löcher.
Zu erwähnen ist, dass ab 2002/03, als der Weltcup der Viererzugfahrer eingeführt wurde, auch Vigo eine Prüfung dieses Weltcups durchführte. Dies, obwohl es in Spanien keine konkurrenzfähigen Fahrer gab. Mit den aufeinanderfolgenden CHI-W Bordeaux und CHI-W Vigo konnte für die Springreiter und Viererzugfahrer eine attraktive Turnierfolge geschaffen werden (von Bordeaux nach Vigo sind es rund 1000 Kilometer). Als Bordeaux 2004 die Fahrprüfungen kurzfristig absagen musste, erklärte sich Vigo bereit, an ihrem Turnier zwei Weltcupprüfungen durchzuführen, um so den mit Wettkämpfen nicht verwöhnten Fahrern einen Ersatz zu bieten.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 46/2022)

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