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Max E. Ammann
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Standpunkt

Loewenstein, Misonne, Wauters

28.02.2023 10:30
von  Max E. Ammann //

Die ersten Jahre des letzten Jahrhunderts, bis zum Ersten Weltkrieg (1914 bis 1918), sahen auf Europas Turnierplätzen ein buntes Teilnehmerfeld. Da waren die Kavallerie- und Artillerieoffiziere, die anfänglich noch auf Eigenini-tiative die Turniere besuchten, bis sich nach der Einführung 1909 der Mannschaftsspringen offen für Offiziere in vielen Ländern nationale Militärequipen zu bilden begannen. Fast ebenso zahlreich in jenen Pionierjahren des internationalen Pferdesports waren die wohlhabenden Herrenreiter im roten Rock. Dazu kamen eine Handvoll Amazonen, darunter auch eine Schweizerin, Elisabeth Walter, die in Luzern 1913 mit dem Pferd ihres Offizier-Bruders das erstmals ausgetragene Amazonen-Springen bestritt.

Alfred Loewenstein

Der wohl bedeutendste der Herrenreiter war der belgische Bankier Alfred Loewenstein, 1877 geboren. Er war auch Pferdegrossbesitzer. Er kaufte des Öfteren für viel Geld Erfolgspferde: Wie 1907 «All Fours», der mit James Glencross eine Hauptprüfung in Olympia gewonnen hatte, und Pouff, mit dem Federico Caprilli in Tor di Quinto die erste Military Italiens gewonnen hatte. 1910 kam Loewenstein mit sechs Pferden zum CSIO Luzern auf der Hausermatte – 1914 gar mit sieben Pferden. Mit Ausnahme des Hochspringens ritt der damalige Mittdreissiger seine Pferde selbst. Für die damals populären Hochspringen verpflichtete er den Profireiter François de Juge Montespieu. So auch 1912 beim Concours im französischen Vittel. Dort übersprangen gleich zwei Pferde die neue Weltrekordhöhe von 2.36 Meter. De Juge Montespieu ritt Biskra, ein weiteres Erfolgspferd von Loewenstein. Der Rekord wurde erst 1933 gebrochen.
Mit Conquérant, Miss und Pouff gewann Loewenstein als Reiter mehrere der damaligen Grossen Preise. So 1905 in Spa, 1905 und 1906 in Brüssel, 1907 in Paris und Den Haag und 1910 erneut in Brüssel. Nach dem Ersten Weltkrieg reduzierte Loewenstein seine Turnierteilnahmen. 1924 gewann er mit Dick den Daily Mail Cup in London. Sein Hauptinte-resse galt nun dem Rennsport. Am 4. Juli 1928 verschwand der 51-jährige Alfred Loewenstein über dem Ärmelkanal aus einer Privatmaschine, einer Fokker. Es wurde nie geklärt, wie er durch die offene Tür aus dem Flugzeug gefallen war: Unfall, Mord, Selbstmord? Alfred Loewenstein war mit Madeleine Misonne verheiratet, aus einer prominenten belgischen Familie. Nachdem ihr  Gatte für tot erklärt worden war, erbte die Witwe das Vermögen. Nach ihrem Tod, und auch dem Tod ihres gemeinsamen Sohnes Robert Boby Serge Loewenstein, erbte der Bruder von Madeleine, Jacques Misonne, das Vermögen.

Jacques Misonne

Der 1892 geborene Kavallerieoffizier Jacques Misonne war 1920, 1924 und 1928 dreimal bei Olympischen Spielen gestartet. 1920 in Antwerpen gab es eine Mannschaftsbronzemedaille in der Military und Platz 25 im Springen. 1924 in Paris und 1928 in Amsterdam bestritt er das Springen und endete als 13. respektive auf Platz 38. Misonne heiratete spät, 1948 mit 56 Jahren. Er hatte drei Söhne und eine Tochter.

Eric Wauters

Einer der Söhne von Misonne heiratete eine De Changy aus dem belgischen Adel. Deren Schwes­ter, Yolande de Changy, heiratete den belgischen Springreiter Eric Wauters. 1972, 1976 und 1996 ritt Wauters bei Olympischen Spielen. 1976 in Montreal gewann er mit Edgar-Henri Cuepper, Stanny Van Paesschen und François Mathy die Bronzemedaille. Sein erfolgreichstes Pferd war Pomme d’Api, mit dem Wauters zahlreiche Prüfungen – vor allem Puissances – gewann, darunter auch in Genf. 1980 organisierte er in seinem Wohnort Peulis (Putte) ein internationales Turnier. 1984 zog das Turnier als CSI Mechelen in die dortige «Nekkerhal». Im Dezember 2022 wurde dort das 40. Turnier gefeiert, nun «Memorial Eric Wauters» genannt. Gleich drei Weltcupprüfungen standen auf dem Programm: Springen, Dressur und Fahren. Am 21. Oktober 1999 schied Wauters aus dem Leben.

(Erschienen in der PferdeWoche Nr. 8/23)

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